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Neuerungen im Gewährleistungsrecht

Die rechtliche Grundlage für die folgenden Änderungen basiert auf dem Verbrauchergewährleistungsgesetz (VGG) und betrifft Verträge mit Konsumenten und Konsumentinnen ab dem 01. Jänner 2022.

Verlängerung der Beweislast zu Lasten der Unternehmer und Unternehmerinnen auf 12 Monate

Unternehmer und Unternehmerinnen sind dazu verpflichtet eine mangelfreie Leistung zu erbringen. Ist beispielweise ein Fernseher 3 Monate nach der Übergabe defekt oder weist die Waschmaschine kurze Zeit nach der Lieferung einen Mangel auf, dann liegt ein Gewährleistungsfall vor. In diesen Fällen vermutet das Gesetz, dass die Ware schon zum Zeitpunkt der Übergabe mangelhaft war. Unternehmer und Unternehmerinnen können die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen nur verhindern, indem sie den Nachweis erbringen, dass kein Mangel bei der Übergabe vorlag. Diese Vermutungsfrist beträgt nun 1 Jahr statt bisher 6 Monate. Die gesamte Gewährleistungsfrist für bewegliche Waren beträgt weiterhin 2 Jahre.  

Bereitstellung von digitalen Leistungen

Eine wesentliche Änderung ergibt sich zudem für Händler und Händlerinnen von digitalen Leistungen. Das neue Gewährleistungsrecht ist in Zukunft nicht nur beim Verkauf von Waren, sondern auch bei der Bereitstellung von digitalen Inhalten und Dienstleistungen zu beachten. Werden beispielsweise Computerprogramme, Fotos oder E-Books in digitaler Form angeboten, sind die Vorschriften des VGG anzuwenden. In solchen Fällen haben Verkäufer und Verkäuferinnen dafür zu sorgen, dass die zur Verfügung gestellten Leistungen fehlerfrei sind. Dasselbe gilt auch für digitale Dienstleistungen, wie zum Beispiel für Streamingdienste oder Social Media Plattformen. Regelmäßige Unterbrechungen bei der Nutzung können zu einem Gewährleistungsanspruch führen.

Waren mit digitalen Elementen

Immer häufiger kommt es vor, dass Waren auch eine digitale Komponente enthalten. Zu denken wäre hier beispielsweise an Smartphones, Smart Watches, aber auch an ein intelligentes Lichtsystem. Wenn eine digitale Komponente erforderlich ist, damit die Haupt- oder Nebenfunktion eines Produktes gegeben ist, spricht man von „Waren mit digitalen Elementen“. Diese digitalen Elemente sind nun auch vom Gewährleistungsrecht erfasst. Bei einem Smartphone können Konsumenten und Konsumentinnen im Regelfall davon ausgehen, dass eine Kameraanwendung enthalten ist. Weist die Kamera-App Probleme auf, so liegt ein Gewährleistungsfall vor. Auch für die Verwendung einer Smart-Watch wird häufig eine App benötigt. Funktioniert diese Anwendung nicht, haben Händler und Händlerinnen von Smart Watches dafür einzustehen. Auch dann, wenn Verkäufer oder Verkäuferinnen die App zwar nicht selbst zur Verfügung stellen, aber die Dienstleistung von einem anderen Unternehmen bereitgestellt wird.

Das gilt jedoch nicht für alle Apps. Anwendungen, die nachträglich von Konsumenten und Konsumentinnen im App-Store heruntergeladen werden und keinen Vertragsbestandteil bilden, zählen nicht dazu. In diesem Fall haben sich Betroffene direkt an die Betreiber und Betreiberinnen der App zu wenden.

Maßgeblich dafür, ob es sich um eine Ware mit digitalen Elementen handelt, ist somit der Vertragsinhalt. Wenn nicht eindeutig geklärt werden kann, ob die digitalen Elemente Vertragsbestandteil sind, dann ist im Zweifel davon auszugehen, dass diese Leistungen erfasst sind.

Umfang der Gewährleistungspflichten

Mangelhaft ist eine Leistung, wenn einerseits die vertraglich vereinbarten und andererseits die objektiv notwendigen Eigenschaften nicht vorliegen. Werden beispielsweise Muster für Waren oder Testversionen für digitale Leistungen zur Verfügung gestellt, dann haben die erbrachten Leistungen diesen zu entsprechen.

Eine Rolle spielt auch der Zweck, den Konsumenten und Konsumentinnen beim Kauf von Waren oder digitalen Leistungen verfolgen. Werden Händler und Händlerinnen über den konkreten Zweck informiert und bejahen sie dessen Vorliegen, dann bestehen auch dafür Gewährleistungsansprüche.

Zu den vertraglich vereinbarten Eigenschaften zählen also beispielsweise:

  • Beschreibungen im Vertrag
  • Art, Menge, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität, Interoperabilität und sonstige Merkmale, die sich aus dem Vertrag ergeben
  • Bestimmte Zwecke, die von Verbraucher und Verbraucherinnen verfolgt werden und deren Vorliegen durch Unternehmer und Unternehmerinnen zugesichert wurde
  • Ausstattung mit Zubehör und Anleitungen, auch zur Montage oder Installation
  • Bereitstellung eines Kundendienstes bei digitalen Leistungen
  • Aktualisierungspflicht (siehe unten)

Die objektiv erforderlichen Eigenschaften sind zum Beispiel:

  • der geeignete Zweck, der üblich ist
  • Leistungen müssen der Qualität und Beschreibung von Proben und Mustern entsprechen
  • Leistungen müssen bei digitalen Leistungen der Testversionen bzw. der Vorschau entsprechen
  • Zubehör, einschließlich Verpackung, Montage- oder Installationsanleitungen oder andere Anleitungen
  • Funktionalität, Kompatibilität, Zugänglichkeit, Kontinuität und Sicherheit der Leistungen

Öffentliche Erklärungen von Unternehmern oder Unternehmerinnen oder ihnen zurechenbaren Dritten, sofern diese vernünftigerweise erwartet werden können. (z.B Erklärungen in Werbungen)

Daraus ergibt sich ein bestimmter „Mindeststandard“ für Händler und Händlerinnen. Wenn sie von diesen abweichen möchten, unterliegen sie in Zukunft strengen Vorschriften. Konsumenten und Konsumentinnen sind dabei über die konkrete Abweichung zu informieren und ihre ausdrückliche Zustimmung ist einzuholen. Im Online-Handel kann dies beispielsweise durch die Betätigung einer Schaltfläche umgesetzt werden. Eine Regelung in den AGB genügt nicht.

Aktualisierungspflicht

Unternehmer und Unternehmerinnen von digitalen Leistungen oder Waren, die digitale Komponente erhalten, haben zudem in Zukunft einer Aktualisierungspflicht nachzugehen. Damit soll die problemlose Verwendung von digitalen Geräten und Diensten gewährleistet werden. Das spielt insbesondere bei Sicherheitsupdates eine Rolle, um vor neuer Schadsoftware zu schützen. Das verpflichtet Händler und Händlerinnen jedoch nicht dazu die aktuelle oder neueste Version zur Verfügung zu stellen. Es soll dadurch nur jene Leistung erbracht werden, die dem Vertrag entspricht.

Die Dauer der Aktualisierungspflicht für Unternehmer und Unternehmerinnen ist abhängig von der jeweiligen digitalen Leistung:

Wird eine Leistung, einmal oder mehrmals einzeln bereitgestellt (z.B.: E-Books), dann müssen die Updates so lange zur Verfügung stehen, wie es vernünftigerweise erwartet werden kann.

Werden jedoch Leistungen bereitgestellt, die fortlaufend sind (z. B. Streaming-Dienst, Cloudspeicher) ist zwischen Waren mit digitalen Leistungen und nur digitalen Leistungen zu unterscheiden.

  • Aktualisierungen für Waren mit digitalen Leistungen sind für mindestens 2 Jahre zur Verfügung zu stellen. Besteht darüber hinaus eine Bereitstellungspflicht, dann gilt diese für die gesamte Vertragslaufzeit.
  • Aktualisierungen für digitale Leistungen gelten für die vereinbarte Vertragsdauer.

Sobald solche Updates zur Verfügung stehen, sind Verbraucher und Verbraucherinnen darüber zu informieren. Andernfalls können Gewährleistungsansprüche für Mängel bestehen, die aufgrund des fehlenden Updates entstanden sind. Neben dieser Informationspflicht sind Unternehmer und Unternehmerinnen für fehlerhafte Installationsanleitungen verantwortlich.

Diese Aktualisierungspflichten gelten auch für unternehmensbezogene Verträge, also im B2B. Darauf kann jedoch durch vertragliche Vereinbarung verzichtet werden. Eine Abweichung von der Aktualisierungspflicht bei Verträgen mit Konsumenten und Konsumentinnen ist nur dann möglich, wenn sie darüber informiert wurden und dem ausdrücklich und gesondert zugestimmt haben. Beispielsweise durch das Anklicken einer Checkbox im Bestellverlauf. Auch hier ist der einfache Hinweis in den AGB nicht ausreichend.

Das Gewährleistungsrecht bringt also einige neue Inhalte mit sich und stellt Händlerinnen und Händler vor neue Herausforderungen. Wichtig dabei ist: Auch wenn offensichtlich das Herstellerunternehmen verantwortlich ist, ist aus Sicht von Konsumentinnen und Konsumenten immer das Handelsunternehmen zuständig, bei dem das Produkt gekauft wurde.