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Kein Rücktrittsrecht bei Waren, die zu Gesundheits- und Hygieneschutz versiegelt wurden

Symbolbild Kosmetikartikel (Lizenz: Pixabay)

Konkrete Bestimmung

§ 18 Ziffer 5 Fern- und Auswärtsgeschäftegesetz (FAGG), der Art 16 lit e Verbraucherrechte-RL in nationales Recht umsetzt, schreibt diesen gänzlichen Entfall des Rücktrittsrechts vom Online-Vertrag vor. Verbraucher/innen haben demnach kein Rücktrittsrecht bei „Waren, die versiegelt geliefert werden und aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder aus Hygienegründen nicht zur Rückgabe geeignet sind, sofern deren Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde.“ Generell soll das Rücktrittsrecht im Fernabsatz für Verbraucher/innen, die in der Regel gegenüber Unternehmer/innen schlechter informiert sind, wirtschaftlich schwächer dastehen und als rechtlich weniger erfahren gelten, Verbraucher/innen vor übereilten bzw. uniformierten Vertragsabschlüssen schützen. Das Rücktrittsrecht ermöglicht zudem erst die Prüfung der bestellten Ware, um Käufer/innen die Chance zur Begutachtung der Ware wie bei Kaufabschluss im stationären Handel zu geben. Ausnahmen von dieser Möglichkeit den Online-Vertrag zu widerrufen, sind daher nur in engen Grenzen zulässig.

Voraussetzung

Unternehmer/innen können Waren nach dieser Bestimmung von der Rücknahme ausschließen, wenn

  1. die Ware versiegelt geliefert wurde,
  2. die Versiegelung geöffnet wurde und
  3. die Ware aufgrund der geöffneten Siegelverpackung aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder aus hygienischen Gründen zur Rückgabe ungeeignet ist.

Eine genaue Betrachtung dieser Voraussetzungen, die gemeinsam vorliegen müssen, zeigt eine eher eingeschränkte Anwendbarkeit aus Händler/innensicht. Bezüglich der Versiegelung ist zudem festzuhalten, dass es sich hierbei nicht um einfache Klebefolien oder Plastikverpackungen handeln kann. Siegel im Sinne dieser Bestimmung ist eine Verpackung, die nach Öffnen nicht wiederverschließbar ist. Dies könnte beispielsweise eine Schweißverpackung oder eine nicht zweimal klebende, besondere Schutzfolie sein.

Symbolbild Matratze (Lizenz: Pixabay)

Beispiele

Nicht immer ist es vorab leicht zu beurteilen, wann dieser Ausschlussgrund greift. Eine konkretere Ausformulierung zu den Voraussetzungen und Umständen für eine Verweigerung der Rücknahme aufgrund dieser Bestimmung, hat kürzlich jedoch der Europäische Gerichtshof (C-681/17) vorgenommen. Anlassfall bildete die Verweigerung der Rücknahme einer Matratze. Die Matratze wurde in einer Schutzfolie verpackt an den Verbraucher geliefert. Dieser öffnete die Folie und probierte die Ware aus. Sodann entschloss er sich nach eingehender Prüfung der Matratze von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch zu machen. Der Händler verweigerte die Vertragsauflösung unter Hinweis auf das geöffnete „Siegel“ und die nunmehrige Nicht-Verwendbarkeit der Matratze aus Hygienegründen. Der EuGH erachtete diese Beurteilung für unzulässig, da der Verkehrswert der Matratze durch das Ausprobieren des Verbrauchers nicht übermäßig beeinträchtigt ist. Die Reinigung und der Weiterverkauf der Matratze sind nach Ansicht des Gerichtshofes möglich – dies erschließt sich unter anderem daraus, dass Gäste Hotelbetten mehrfach verwenden würden und nicht aus hygienischen Gründen immer auf neue Matratzen bestehen würden. Auch die Berührung mit dem menschlichen Körper muss hingenommen werden, da dies bei der Anprobe von Kleidung auch regelmäßig vorkomme und die Ware durch Reinigung ihren vollen Wert wiedererlangen könne.

Diese Ausnahme des Rücktrittsrechts soll den Unternehmer daher nur vor besonderen Härten schützen, die aus der fehlenden Wiederverkäuflichkeit resultieren. Es betrifft daher nur Waren, die bei objektiver Betrachtung aus Hygiene- oder Gesundheitsschutzgründen nach Entfernen eines Siegels typischerweise unverkäuflich sind. Dies sind in der Regel beispielsweise:

  • Kosmetika wie Lippenstifte, Puder, Wimperntusche
  • Grippeschutzmasken
  • Desinfektionstücher
  • In Plastik abgepackte, aufgeschnittene Salami
  • Im Glasbehältnis gelieferte Marmelade

Nicht darunter fallen aber – soweit eine Wiederherstellung des Verkehrswertes ohne große Schwierigkeit möglich ist – beispielsweise:

  • Matratzen
  • Bademode oder Unterwäsche
  • Schuhe

Wertersatz

Unabhängig von der Anwendbarkeit dieser Ausnahmebestimmung ist jedoch ein allfälliger Wertersatz zu beurteilen. Kommt es durch Verbraucher/innen zu einer übermäßigen Verwendung der Ware durch eine nicht notwendige Prüfung der Beschaffenheit oder Funktion des bestellten Artikels, dann ist Wertersatz an das Unternehmen zu leisten. Diese Ersatzzahlung bemisst sich mit jenem Aufwand, den Verkäufer/innen für die Wiederherstellung des Verkehrswertes (bspw durch aufwendige Reinigung) aufwenden müssen.

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