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Retouren-Info: Interview "Praxis-Tipps im E-Commerce"

Retouren: profitieren statt ärgern!

Rücksendungen sind ein unbeliebtes Thema bei Onlinehändlern. Wie Sie Retouren bestmöglich vermeiden bzw. aus dem unvermeidlichen Übel eine Chance zur Kundenbindung machen, erfahren Sie hier: Zwei E-Commerce-Experten plaudern aus dem Praxis-Nähkästchen und teilen ihre Tipps, Tricks und Erfahrungen.

Egal, ob Sie sich erst seit dem Corona-bedingten Online-Shopping-Boom oder schon länger mit E-Commerce beschäftigen: Das Thema Retouren gehört zwangsläufig dazu. Und es gibt wohl keinen Onlinehändler, der dabei vor Glück schreit. Denn es bedeutet zeitlichen und organisatorischen Aufwand, ein finanzielles Risiko, manchmal auch unangenehme Diskussionen – und ist einfach unvermeidlich, obwohl man oft schon im Vorhinein weiß, dass die Ware zurückkommen wird.

Aber: Sie kennen sicher den Spruch „Wenn das Leben dir Zitronen schenkt, mach Limonade draus“. Die E-Commerce-Experten Stephan Grad (A-Commerce) und Stefan Lettner (XXL Sports & Outdoor) liefern Ihnen hier im Video-Podcast „Praxistipps im E-Commerce – Umgang mit Retouren“ gleich mehrere erprobte Rezepte, wie Sie sich das Thema Retouren versüßen können.

Information ist Trumpf: Von den Besten lernen

Versand-Riesen wie Amazon oder Zalando haben das Kauf- und Retourenverhalten auch in Österreich massiv geprägt. Dank unkompliziertem und kostenlosem (Rück-)Versand ist es gerade im Fashion-Bereich an der Tagesordnung, dass Kundinnen und Kunden z. B. gleich mehrere Farben und Größen zur Auswahl bestellen – und einfach zurücksenden, was nicht passt oder gefällt.

Doch statt angesichts der mächtigen Konkurrenz in Schockstarre zu verfallen, sollte man besser überlegen, was man sich von den Internet-Giganten abschauen – und vielleicht sogar noch besser machen kann. Nicht nur bei Kleidung und Schuhen ist es etwa ratsam, so viele Informationen wie möglich zur Verfügung stellen, um Retouren zu vermeiden oder zumindest die Rate gering zu halten: Hochwertige und farbechte Produktfotos (idealerweise am lebenden Objekt), detaillierte Beschreibungen, exakte Größenangaben, Vergleichswerte und Empfehlungen helfen den Kundinnen und Kunden, Fehlkäufe zu vermeiden.

Auch aussagekräftige FAQ, transparente Informationen zum Bestellvorgang und Schritt-für-Schritt-Anleitungen gehören dazu. Je mehr Mühe Sie in diesen Bereich stecken und je mehr Information Sie bieten, desto weniger Retouren wird es geben. Diese und weitere praktische Tipps zur Senkung der Retourenrate erfahren Sie im Experten-Interview.

Der Kunde ist König

Konsumentinnen und Konsumenten möchten möglichst komfortabel, mit möglichst wenig Aufwand kaufen und retournieren. Der Umkehrschluss kann hier ein Schuss nach hinten sein: Wer versucht, den Käuferinnen und Käufern beim Retourenprozess Steine in den Weg zu legen, wird nicht erreichen, dass sie nichts zurücksenden, sondern, dass sie nicht wiederkommen – und eine schlechte Bewertung gibt’s obendrein. Deshalb, auch wenn es manchmal nervt: Entgegenkommen ist oft weiser als Recht behalten zu wollen.

Die E-Commerce-Profis zeigen aber zugleich auf, dass man sich nicht alles gefallen lassen muss. Wie und wann Sie sich gegen notorische Retournierer wehren können, erfahren Sie ebenfalls hier im Video-Podcast. 

So holen Sie das Beste aus Retouren heraus

Stephan Grad und Stefan Lettner zeigen aber auch die Chancen auf, die Retouren für Onlinehändler mit sich bringen. Denn sie sind nicht nur lästig, sondern bieten einen guten Anlass, um mit Kundinnen und Kunden in Kontakt zu treten, ihnen Servicequalität und Verlässlichkeit zu vermitteln – und sie so im Idealfall zu Stammkunden zu machen.

Zudem liefern Retouren jede Menge Daten – ein Schatz, den es unbedingt zu heben gilt. Die Auswertung zeigt oft Verbesserungspotenzial auf, entlarvt nicht funktionierende Prozesse und vieles mehr.

Wie Sie aus dem ungeliebten Thema Retouren das Beste für Ihren Onlineshop herausholen sowie viele wertvolle Tipps und Anregungen aus der Praxis finden Sie hier im Video-Podcast.

 

Das gesamte Interview zum Nachlesen

Hallo und herzlich willkommen zu den Praxistipps im E-Commerce. Schön, dass Sie da sind. In dieser Folge geht es um Retouren. Ein ungeliebtes Thema, an dem aber kein Online-Händler vorbeikommt. Ich habe dazu zwei Experten aus der Praxis eingeladen, die Ihnen einfach Tipps geben sollen, wie man mit Retouren möglichst gut umgehen kann. Dazu begrüße ich einmal Stephan Grad von A-Commerce …

Es freut mich, hier zu sein, danke!

… und zum anderen auch ein Stefan: Stefan Lettner von XXL Sports.

Freut mich ebenso, hier zu sein.

Herzlich willkommen – und gleich auch die erste Frage an dich: Was passiert bei dir im Kopf, wenn du das Wort „Retouren“ hörst?

Puh. Das unbeliebteste Thema, das man sich überhaupt vorstellen kann. Natürlich ist das für die E-Commerce-Händler gerade nach so einer Woche wie der Black-Friday-Woche eine Horrorvorstellung. Denn man weiß zum Zeitpunkt des Verkaufs schon: da wird ein großer Anteil wieder zurückkommen. Gerade jetzt, wo viele neue Onlineshopper unterwegs sind.

Du sagst, man weiß es vorher schon. Weiß man ungefähr, wie viel zurückkommt oder könnt ihr schon bei einzelnen Bestellungen einschätzen: das wird eh zurückkommen?

Es gibt diese typischen Zwei-Größen-Auswahl-Bestellungen, wo ich zum Beispiel einen Wanderschuh in Größe 44 und 44,5 verkaufe. Da brauche ich nicht großartig rechnen können, um zu wissen, dass einer wieder zurückkommen wird.

Ihr habt ja im Sportbereich beides: Kleidung, aber auch technische Dinge. Wie unterschieden sie sich vom Retourenverhalten her und was bedeutet das für euch?

Sämtliche Textil- und Schuhprodukte sind sehr stark von der Modeindustrie geprägt, was das Kaufverhalten betrifft. Zalando hat es, glaube ich, zwölf Jahre lang gepredigt: kostenlos bestellen, kostenlos zurücksenden. Das hat natürlich starke Auswirkungen auf die Retourenrate. Der Konsument ist einfach gewohnt, zur Größen- und Farbauswahl zu bestellen und das treibt natürlich im Bekleidungs- und Schuhbereich die Retouren heute nach oben. Im Hartwarenbereich hingegen hat man den Vorteil, dass man sich mit dem Produkt oft ein bisschen genauer beschäftigen muss, weil es mehr um technische Spezifikationen geht. Dadurch ist in diesem Bereich die Retourenrate signifikant geringer. Weil es ja zumeist auch keine Größenauswahl gibt. Bestes Beispiel – was bei uns gerade sehr gut funktioniert – sind diese Indoor-Bike-Trainer. Die haben eine sehr niedrige Retourenrate, denn da gibt es vier Modelle, Preisklasse niedrig bis Premium, und der Kunde, der so ein Produkt kauft, informiert sich meistens vorab, was er genau will.

Was kann man denn generell machen, um Retouren möglichst zu senken?

Ich glaube, das große Thema ist „nicht nur senken, sondern auch vermeiden“. Und da hilft Information. Jeder von uns kennt das: Wenn ich online Bekleidung kaufe, gibt es immer Größenangaben und jedes Unternehmen schneidert anders, hat gewisse andere Vorgaben – auch wenn die Industrie angehalten ist, Größen und Abmessungen zu vereinheitlichen. Aber auch hier sollte ganz klar angegeben sein: Größe M ist ungefähr mit diesem Brustmaß oder eine Länge 32 bei Jeans sollte wirklich auch eine 32 sein. Diese Informationen sollten für den Kunden möglichst einfach verständlich dargelegt werden, leicht zu finden sein, im Idealfall habe ich sogar eine Vergleichsmöglichkeit. Wenn ich zum Beispiel im Laufbereich weiß, dass ich bei Nike meine 42,5 habe, und man mir bei einem anderen Laufschuh sagt: Wenn du von dem eine 43 nimmst, entspricht das ungefähr 42,5 bei Nike. Das sind Informationen, die es für den Kunden supereinfach machen und die mir als Händler helfen, meine Retouren ganz klar nach unten zu bringen.

Wenn ich also weiß, dass ich normalerweise diese oder jene Größe habe und die würde mir passen, dann sollte schon beim Produkt dabei sein: Achtung, das ist aber eigentlich diese Größe.

Ja, oder ich schreibe zumindest „fällt größer aus“ oder „fällt kleiner aus“ dazu. Man merkt es besonders bei T-Shirts. T-Shirts können slimfit geschnitten sein, obwohl sie als regular angeboten werden. Und das weiß ich als Händler, zumindest wenn ich mir die Samples ansehe und diese auch fotografiere. Dann merke ich schon, dass das wirklich ein slimfit ist – und schreibe dazu: Bestell doch  lieber eine Nummer größer, wenn du es etwas weiter haben möchtest. Wenn du es wirklich enganliegend haben möchtest, dann kannst du ruhig deine normale Größe bestellen.

Wie wichtig sind Produktfotos, um Retouren zu vermeiden?

Ich würde sagen sehr wichtig. Wir haben bemerkt, dass die Fotoqualität natürlich stimmen muss. Wenn das Foto trügerisch ist, wenn das Licht nicht passt, wenn die Detailaufnahme nicht nah genug dran ist – dann führt das zwangsweise zu Retouren. Wir haben extrem viele Probleme, dass einfach die Farbechtheit nicht gegeben ist. Das ist natürlich eine Katastrophe, wenn das T-Shirt auf der Website orange aussieht, aber pink ankommt. Dieses Problem haben viele, viele Händler immer wieder. Vor allem, wenn die Produktfotos nicht standardisiert sind. Wir versuchen das mit unserer eigenen Fotobox. Das dauert natürlich bei vielen SKUs, das aufzurollen. Da kann ich immer wieder nur an Zalando und About You verweisen, die da einen sehr guten Job machen und stark standardisieren. Man merkt sofort: Wenn die Bilder von den Herstellern direkt kommen, ist die Qualität oft nicht so hoch und dann hat man genau bei diesen Produkten höhere Retourenraten. Auch uns geht es mittlerweile so.

Macht ihr eigene Fotos?

Wir machen eigene Fotos, direkt in unserem Zentrallager, wo die Waren angeliefert werden. Man kann aber nicht 100 Prozent abdecken.

Ist es bei Kleidung wichtig, dass sie auch an Personen zu sehen ist?

Extrem wichtig. Besonders wichtig sind auch die Größenangaben wie: Das Model ist 1,89 m groß, trägt Größe L. Anhand der Proportionen kann sich der Kunde selbst einordnen – ist der breiter oder schmäler gebaut als ich? So kommt man seiner wahren Größe wesentlich näher.

Ich glaube, das ist ein wirklich wichtiges Thema. Als Konsument habe ich im E-Commerce eine Schwachstelle und das ist der Screen. Ich kann das Produkt nicht angreifen, ich kann’s nicht befühlen. Je mehr Informationen ich über das Model habe, desto besser – wie groß, wie schlank, wie fest gebaut oder, auch ganz wichtig, welchen Typus trägt man. Das sollte auf jeden Fall dargestellt werden und noch ein Schritt weiter wären kurze 5- oder 10-sekündige Videos, die tatsächlich zeigen, wie das Model das Produkt anhat und wie es sich bewegt. Weil das schaut am bewegten Körper nochmals ganz anders aus als nur am stehenden Mannequin.

Also wirklich so viele Informationen wie nötig geben, das senkt die Retouren, ist aber natürlich gleichzeitig auch aufwendig. Wie sollte man denn über den Retourenprozess informieren? Wie viel soll man dem Händler schon in die Hand geben, damit es so einfach wie möglich wird?

Also da bin ich jemand, der sagt: Ich gebe dem Kunden alle Informationen, die nur irgendwie relevant sind. Gute FAQs schreiben, diese möglichst transparent darstellen, vielleicht sogar direkt beim Produkt, und jeden einzelnen Schritt so genau wie möglich beschreiben. Weil nichts ist lästiger als wenn ich eine Retoure habe und vielleicht das Produkt sogar wirklich behalten wollte, aber es passt nicht, ist beschädigt oder was auch immer – und dann möchte ich diesen Retourenprozess genauso einfach und convenient haben wie den Bestellprozess. Viele Händler vergessen das oder versuchen dann, den Kunden irgendwie auszutricksen: Wenn ich den Retourenprozess möglichst schwierig mache, dann behält er das Produkt vielleicht … Nein! Der Konsument ist dann „lästig“, bis er einen Weg findet, das Produkt zurückzubringen, hat dazu noch diese schlechte Erfahrung und wird einfach nie wieder bei diesem Händler einkaufen. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, ich habe gerade Nahrungsergänzungsmittel fürs Laufen bestellt und probiert. Die einfach nicht mein Geschmack sind. Sie mögen wunderbar toll sein und natürlich und alles – aber für mich sind sie nicht trinkbar. Ich wollte sie wieder retournieren. Natürlich nur die ungeöffneten. Selbst ich habe eine Stunde auf dieser Website und mit dem Kundenservice gebraucht, um herauszufinden, wie die Retoure passieren kann. Ich weiß, das waren Premiumprodukte, aber selbst, wenn sie jetzt eine neue Geschmacksrichtung herausbringen würden, wo ich potenziell wieder viel Geld ausgeben könnte: Ich werde dort nie wieder einkaufen, weil einfach der Servicegedanke nicht existent war.

Legt ihr schon Retourenetiketten bei?

Nein, in dem Punkt wehren wir uns gegen den Markttrend. Wir legen tatsächlich keine bei. Der Kunde muss sie selbst ausdrucken, aber das ist kein Hindernis. Wir haben dennoch den Retourenprozess sehr einfach erklärt und verstecken ihn nicht irgendwo auf der Website in den FAQs oder in den AGBs. Das ist einfach aufzufinden, man kann die Retoure digital anmelden, den Grund angeben und sich das PDF selbst ausdrucken. Es ist natürlich eine kleine Hürde – mal sehen, wie lange wir uns hier noch gegen den Markttrend stellen. Denn ich persönlich bin da ganz bei Stephan: Den Retourenprozess unnötig zu erschweren, senkt einfach nur die Loyalität. Langfristig werden diese Anbieter, die das einfach unmöglich machen, nicht gewinnen.

Weil ein Kunde, der eine Retoure schickt, ist ja schon einmal ein Kunde gewesen – den muss man nicht ganz als Neukunden gewinnen, sondern in irgendeiner Form als Kunde halten.

Genau. Wir alle wissen: Neukunden online zu gewinnen, wird von Monat zu Monat teurer und schwieriger, es gibt sehr viel Konkurrenz, man muss wirklich ausgefeilte Marketingkampagnen fahren, um Kunden zu mir in den Shop zu bringen. Das ist sehr teuer und viele Onlinehändler haben das Problem, dass ein Kunde tatsächlich erst nach dem zweiten oder gar dritten Einkauf in den Kostenrechnungen positiv ist. Also wenn ein Kunde einmal bei mir gekauft hat, dann muss ich alles Menschenmögliche tun, damit er tatsächlich zufrieden ist, wiederkommt, wieder einkauft und im Bestfall sogar eine positive Bewertung hinterlässt, weil er so zufrieden war, selbst wenn’s einmal nicht gepasst hat. Dann habe ich wirklich einen loyalen Kunden gewonnen, so wie Stefan gesagt hat, der mich auch gerne weiterempfiehlt. Von diesem Word-of-Mouth, diesen Weiterempfehlungen, leben Onlinehändler wirklich. Das ist doch bei euch im Sportbereich genauso: Es gibt viel Mitbewerb und der Kunde geht dorthin, wo das Produkt, der Preis und das Service passen.

Service – heißt das auch, man kann bei euch die Ware auch in den stationären Geschäften zurückgeben oder nur per Post zurückschicken?

Es ist uns sehr wichtig und auch von uns gewünscht, dass der Kunde auch proaktiv etwas in der Filiale zurückgibt. Wir versuchen jeden Versand zu vermeiden. Deshalb kann man Ware auch in die Filiale bestellen und dort zurückgeben. Dadurch erzeugen wir Store-Traffic und gleichzeitig kann eine Rückgabe in einen Umtausch konvertiert werden und das bleibt dann im Unternehmen.

Also auf jeden Fall auch noch eine große Chance. Wie kommen denn die Retouren erfahrungsgemäß zurück, wie sieht es denn aus in diesen Paketen? Rauft man sich da gerne die Haare?

Man sieht alles: unbenutzte Retouren, in denen Zigarettenstummel sind usw. Aber der Großteil – da ist der österreichische Konsument sehr gut erzogen – ist in Originalverpackung, im Schuhkarton, in der Plastikfolie, in der er verschickt wurde. Aber die statistischen Ausreißer gibt es natürlich immer.

Kann man die Ware dann gleich wieder verkaufen?

Das hängt ein bisschen von der Ware ab. Textilien kann man wieder aufbereiten und komplett in den Umlauf bringen, wenn bei Produkten die Originalverpackung beschädigt ist, kann man sie neu verpacken lassen und dann wieder in Umlauf bringen. Es gibt aber auch Produkte, wo es nicht geht. Das sind manchmal sehr spezielle Produkte. Lebensmittel und Parfümeriewaren sind ein schwieriges Thema, wo einfach nicht sichergestellt werden kann, dass sie tatsächlich unbenutzt sind oder wo vielleicht irgendwo manipuliert wurde. Diese Produkte kann ich natürlich nicht wieder in den normalen Verkauf schicken. Da muss ich mir einfach überlegen: Wie gehe ich damit um? Was mache ich damit? Wir haben davor ja schon kurz besprochen, welche Möglichkeiten des Retouren-Handlings es gibt. Ein kleiner Shop mit wenigen Retouren kann zum Beispiel über Familie und Freunde Spendenaktionen mit Goodies und Preisen unterstützen. Das ist sehr nett und kann mir auch wieder beim Branding helfen. Ab einer gewissen Masse braucht man natürlich eine vernünftige Strategie, was gemacht werden soll.

Das kann also aufarbeiten heißen, reinigen, wieder ordentlich verpacken, … Bei technischen Geräten ist es vielleicht noch ein bisschen schwieriger. Wie schaut das bei euch aus?

Problematisch sind vor allem Smartwatches und Multi-Sport-Uhren. Sobald diese aktiviert sind, können sie nicht mehr auf den ursprünglichen Originalzustand zurückgesetzt werden. Das heißt, das Produkt verliert seinen Originalwert und wir müssen es mit einem Abschlag verkaufen. Das wird bei uns in der Regel auch so gemacht. Wenn wir Produkte online nicht mehr lagernd haben, versenden wir sie aus den Filialen. Wenn dann nur mehr das Ausstellungsstück da ist, kontaktieren wir den Kunden vorher und fragen, ob es für ihn in Ordnung ist, das Produkt ohne Originalverpackung zu bekommen – mit Abschlag X. Das muss man eben so abwickeln. Das Problem ist, wir erreichen jetzt auch eine Größe, wo es aus Kundenservice-Sicht schon kritisch ist und an die Belastungsgrenzen geht. Innerhalb unserer Gruppe, zum Beispiel in Norwegen, wäre das nicht mehr möglich, weil dort einfach das Volumen viel zu hoch ist.

Sind Retouren eigentlich etwas, was wir bei uns in Österreich ganz stark kennen? Wie sieht das denn international aus?

Das ist ein weltweites Phänomen. Wir sehen das wirklich über alle Länder hinweg. Jedes Land oder jede Region hat gewisse Bereiche in der E-Commerce-Branche, wo es mehr oder weniger ist. Ein Bereich, der sich durchzieht, ist natürlich Fashion. Ganz klar auch Fashion Accessories wie Handtaschen, die eine enorm hohe Rücklaufquote haben. Hier ist aktuell das große Trend-Thema: Wie vor fünf Jahren die Zalando-Partys, wo sich jemand neu eingekleidet und dann am Montag alles zurückgeschickt hat, so wird das spannenderweise aktuell, in Lockdown-Zeiten, mit Handtaschen international sehr gerne gemacht. Das heißt, sie werden für ein Familien-Come-together genutzt und dann wieder retourniert. Es gibt immer wieder Wellen, wo diese Trends aufkommen. Aber generell muss man sagen: In jedem Land, in Europa und weltweit, ist es eine ähnliche Thematik.

Wobei ich hinzufügen muss, dass in den skandinavischen Märkten die Retourenrate doch deutlich geringer ist. Sie ist den letzten Jahren zwar drastisch angestiegen, aber mit dem DACH-Raum noch nicht zu vergleichen. Und hier würde ich Deutschland noch mal um einiges über Österreich stellen, vom Retourenverhalten her. Norwegen und Schweden sind noch etwas moderater – sei es aus Umweltbewusstsein, sei es die fehlende Präsenz oder Stärke von Amazon und Zalando …

Also sind Retouren vielleicht im deutschsprachigen Raum auch ein bisschen „antrainiert“ worden?

Wir kennen ja alle noch den Slogan „Schreí vor Glück oder schick’s zurück“, damit ist ja Zalando groß geworden. Daraus ist irgendwann nur mehr „Schrei vor Glück“ geworden und inzwischen, glaube ich, gar kein Slogan mehr. Also ja, natürlich – es wurde antrainiert.

Mit welcher Retourenquote muss man denn rechnen?

Das hängt immer von der Kategorie ab. Von der Überkategorie – und in den Unterkategorien wird es noch einmal schwieriger. Wir haben zum Beispiel extreme Ausreißer im technischen Textilbereich, wo es schon einmal über 80 % geben kann. In der Sale Season im Textilbereich ist es ja kein Geheimnis, dass Zalando auch mal mit 70-80 % an Paketvolumen kämpft. Bei Hartware ist es wieder ganz anders. Da ist man, wenn man Glück hat, sogar im einstelligen Bereich, aber zumindest unter 20 %. Die Norm liegt bei Textilien und Schuhen um die 50 %, damit muss man schon rechnen.

Also sehr unterschiedlich je nach Kategorie. Die Kunden sind ja wahrscheinlich auch sehr unterschiedlich – die einen, die fast gar nichts zurückschicken, und die anderen, die in Massen zurückschicken. Kann man gegen diese Massenretournierer etwas tun? Ist es sinnvoll, da aktiv zu werden?

Definitiv. Je mehr Daten ich über meine Kunden sammle – im rechtlich korrekten Bereich, natürlich – umso besser kann ich sie scoren und diese Information einsetzen. Wenn ich gewisse Konsumenten habe, die tatsächlich permanent retournieren und bei denen die Retourenrate weit außerhalb des Normbereichs liegt, dann sollte man sich schon überlegen, wie man diesen Konsumenten umgehen kann. Wir wissen alle, dass sowohl Zalando als auch Amazon Kunden nach einer gewissen Anzahl von Retouren sperren. Weil man einfach sagt: auf diese Kunden kann man verzichten. Wir haben zuvor schon gesagt: Kunden, die nur ein- oder zweimal kaufen oder die ein extrem hohes Retourenmanagement haben, sind sehr teuer. Und die will ich oder kann ich mir als Unternehmer vielleicht gar nicht leisten. Aber das ist etwas, was ich als Unternehmer für mich selbst entscheiden muss: Wie konsumentenfreundlich bin ich? Wie passt das in meine Strategie? Und was geht sich bei mir finanziell aus?

Das gesetzliche Rücktrittsrecht sieht 14 Tage vor, oft sieht man, dass es 30 Tage Rückgaberecht gibt, also freiwillig vom Händler. Ist das sinnvoll? Sollte man das machen?

Wir bieten bei XXL Sports & Outdoor sogar 100 Tage an, was im Marktvergleich sehr großzügig ist. Für den Kunden ist es natürlich ein Convenience-Faktor, wenn man länger retournieren kann. Dieses klassische 14-Tage-Widerrufsrecht übt ja kaum jemand mehr aus. Das klassische Widerrufsformular ausfüllen – zurücksenden – vom Kauf zurücktreten: das ist nicht mehr Usus. Am Markt ist eine Retoure anerkannt, wenn sie einfach an den Händler zurückgesendet wird. Ich finde es gut, wenn man mehr als diese 14 Tage gibt. 100 Tage sind vielleicht schon ein bisschen lang. Aber es gibt eben dem Kunden die Möglichkeit, vor allem bei komplexeren Produkten, sich länger Zeit zu lassen und zu überlegen. Es kann natürlich auch sein, dass Lieferverzögerungen dazukommen, vor allem, wenn man Rechnungskauf gewählt hat. Dann kommen noch Mahnfristen dazu. Ein längeres Zeitfenster ist einfach für den Kunden im Sinne von Rücksendungen sicher vorteilhaft.

Das glaube ich auch. Es hängt vom Produkt ab, es hängt davon ab, ob ich Hersteller mit Direktvertrieb oder reiner Händler bin, der natürlich auch einen gewissen Margendruck hat. Dass muss man von Unternehmen zu Unternehmen sehen. Aus Konsumentensicht sind 30 Tage natürlich sensationell, gerade jetzt mit den aktuellen Ausgangsbeschränkungen etc. Viele Leute trauen sich vielleicht nicht, in die Postfiliale zu gehen, um Retouren zu machen. Auch hier sind diese 30 Tage sehr angenehm. Das ist einfach Kundenservice und es kostet mich als Unternehmen per se kein Geld. Es kann sein, dass die Retourenrate ein bisschen höher wird, aber im Großen und Ganzen ist es Kundenservice.

Das wäre gerade meine Frage gewesen: Es treibt also die Retourenquote nicht wirklich weiter nach oben, oder?

Wir haben das schon statistisch erhoben, weil es eben die 100-Tage-Diskussion gab. Rund 99,4 % sind innerhalb von 30 Tagen zurückgekommen. Es ist also eine schöne Marketinggeschichte, aber es werden auch nicht mehr. Natürlich ist der Kunde am österreichischen Markt auch zu den 30 Tagen erzogen worden. Und, wie Stephan so schön sagt: Das ist Kundenservice und mittlerweile eigentlich Standard. Die 14 Tage sieht man kaum noch.

Wenn ihr ans Thema Retouren denkt: Was ist der wichtigste Tipp, den ihr den Händlern mitgeben wollt? Was sollte man unbedingt immer im Kopf haben?

So sehr man sich vor Retouren gerade zu Beginn des E-Commerce-Weges fürchtet und so ärgerlich sie sein können – man muss sie trotzdem als Chance sehen, um mit einem Kunden, der tatsächlich schon gekauft hat, noch einmal in Kontakt zu kommen. Und man darf nicht unterschätzen: Eine Retoure kann mir als Unternehmen ganz klar helfen zu erkennen, welche Prozesse nicht funktionieren. Habe ich das Problem falscher Größenbeschreibungen auf der Website? Habe ich ein Logistikproblem und die Ware kommt permanent verspätet an? Oder habe ich ein Qualitätsproblem bei gewissen Waren, das sich auch wiederum durch erhöhte Retourenquoten zeigt? Das heißt: Retouren sind nicht nur lästig, sie können mir auch extrem viele Daten und Informationen liefern. Sie sind auch durchaus ein Grund, um mit Konsumenten in Kontakt zu kommen und wir wissen alle: Jeder Konsument macht einmal schlechte Erfahrungen. Aber die Konsumenten, denen ich helfe, die ich überzeugen kann – selbst wenn es schlecht läuft –, dass sie sich auf mich als Händler verlassen und gerne wieder bei mir kaufen können, weil wir uns um alles kümmern, weil man hier sorgenfrei einkaufen kann: Das muss man ganz klar als Chance wahrnehmen.

Ich habe zwei Punkte, die sich hier anschließen. 1.) Kulant sein! So gewinnt man loyale Kunden. Man muss nicht in Richtung Amazon gehen, dass man einfach Produkte abschreibt und herschenkt, aber dennoch: Wenn es für den Kunden ein Ärgernis ist, sollte man versuchen, mit einer kulanten Lösung entgegenzukommen. Sei es bei einer Retoure, einem Umtausch, einem Preisnachlass. Und 2.) – ganz wichtig – Daten erfassen! Von Anfang an strukturiert aufbereiten, in den Webshop einarbeiten, anhand der Retouren Größenempfehlungen geben, wie eingangs erwähnt: Das T-Shirt fällt größer aus, die Hose fällt kleiner aus, wähle doch eine Größe größer! Es ist ganz wichtig, dass man einfach die Daten vor Ort hat – warum wird zurückgesendet, was wird zurückgesendet und wann wird es zurückgesendet. Damit man auch einordnen kann, ob es aus einer Sale-Periode, einem starken Abverkauf, einer Black-Friday-Woche war oder ob einfach das Produkt nicht gut genug ist und ich vielleicht überdenken sollte, dieses Produkt in meinem Sortiment zu haben. Wie Stephan gesagt hat: Man kann aus Retouren sehr viel lernen und auch seinem Sortiment einen Feinschliff geben und gewisse Marken oder einzelne Produkte eliminieren.

Das ist eine sehr schöne Zusammenfassung am Ende: Retouren sind nicht nur lästig, sondern können auch eine Chance sein – für den Onlineshop selbst, für die Qualitätssteigerung des Onlineshops und wir hoffen, dass wir vielen Händlern Tipps und Hilfe dazu geben konnten. Vielen Dank für das Gespräch!

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